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Lagerausstattung

Zelte

January 20, 2023 by J.Hildebrandt

Unsere Zelte

In unserem Lager verwenden wir unterschiedliche Zeltformen, wie sie im Frühmittelalter vermutlich üblich waren.

Der Einmaster - oder Glockenzelt

Wir selbst verwenden diesen Zelttyp derzeit nicht, da er in erster Linie im karolingischen Umfeld zu finden ist. Für diesen Zelttyp gibt es Darstellungen aus dem Psalter von Uetrecht oder dem Berner Codex

Der Zweimaster - Das Sachsenzelt ("Geteld" altengl.)

Abbildungen hiervon findet man ebenfalls im Uetrechter Psalter. Dieser entstand 820-853 in Hautvillers und ist somit dem karolinginschen Umfeld zuzuordnen. Daher ist die Bezeichnung "Normannenzelt" wohl eher unzutreffend.



Vorteile:
- Sehr viel Platz
- Weniger Aufwand beim Transport, da die einzige lange Stange der First ist.
- Es gibt mehr zu sehen für die Gäste, wenn man es offen lässt.

Nachteile
- Größerer Aufwand beim Aufbau weil es keine selbsttragende Konstruktion ist.
- Man benötigt sehr viele Heringe


Das Wikinger- oder Oseberg Zelt (Tjald)

Bildliche Darstellungen der sogenannten Oseberg Zelte sind uns derzeit nicht bekannt. Die meisten Abbildungen von Zelten aus dieser Zeit stammen nun mal aus dem Frankenreich und dieser Zelttyp war dort nicht verbreitet. Die Reenactment Szene greift bei ihren Zeltkonstruktion auf die beiden Holzfunde des Oseberg und des Gokstad Schiffs - welches derzeit auch die einzigen uns bekannten Fundestücke sind.
Was wissen wir über diese Zelte?

Der Fund aus dem Oseberg Schiff

Im Oseberg Schiff wurden Holzrahmen unterschiedlicher Größe gefunden, die man als Zeltkonstruktion interpretiert. Eines war die Holzkonstruktion eines großen Hauszelts, die anderen Holzreste werden von A. W. Brögger im Buch "Osebergfunnet" beschrieben. Näheres dazu findet man in Wikipedia. Diese Funde wurden als Konstruktionen "kleinerer Zelte" interpretiert. Möglicherweise Schiffszelte?

Quelle: the oseberg ship by Anton Wilhelm Brögger:
"There were also discovered three beds, the framework for two tents, one framework for a very large tent, a chair,.."

Der Fund aus dem Gokstad Schiff

Der Gokstad Fund bestätigt eigentlich die Konstruktion des Oseberg Fundes.
Nicolaysen, N (1882) The Viking Ship Discovered in Gokstad, Norway, Seite.41 :
“four long oaken boards of similar size and formed in the same manner, having art the one end animal heads carved and nearly alike one another, and intended to be viewed from both sides, of whose purpose I was for a long time in doubt, until at last it became obvious to me that they had been placed at each end of the tilt, a conclusion to which I was led by observing the barge boards with horse heads which according to Otte, are found in houses of peasents in Lower Saxony and whose heads in some districts are turned outwards to prevent misfortune, while in others they are directed inwards to bring good luck to the house. It is sufficiently clear that each of the boards must have crossed the other, as represented, and that the ridgepole of the tilt with its ends was pivoted through the holes highest up. To me it also seems most likely …..”


Bei beiden Funden stellt sich aber die Frage, um was für ein Zelt es sich handelt. Man unterschied nämlich zwischen Schiffs- und Landzelten.

Vorteile dieses Zelttyps:

- ausreichend Platz
- lässt sich leicht nochmal umstellen wenn es steht, da es zunächst keine Heringe benötigt.
- Lässt sich bei einem kleineren Zeit auch von einer Person aufbauen.
- ist leichter zu nähen aufgrund der einfacheren Form.

Nachteile

- Braucht durch das Gestänge mehr Platz beim Transport.
- Der "Erlebnisfaktor" für die Gäste ist nicht so hoch.

Wie haben wir es umgesetzt?
Als Material für den Holzrahmen verwenden wir Eiche oder Esche. Für die "Köpfe" lassen wir uns die Freiheit andere zeitgenössische Motive zu verwenden - sonst wären ja alle Zelte gleich. Und zwei Funde kann man nicht unbedingt als representativ bezeichnen.



Wie haben wir das Holz behandelt?
Wir experimentieren mit verschiedenen Varianten. Im Bild oben haben wir ein Gemisch aus Birkenpech und gekochtem Leinöl verwendet, wie es bei den traditionellen Schiffsbauern heute noch verwendet wird. Alternativ experimentieren wir auch mit Ei-Tempera Mischungen.

Materialien


Hierbei geht es uns um folgende Fragen:
* aus welchen Materialien bestanden die Zelte?
* Welche Stoffe nehmen wir?
* Was sind die Vor- und Nachteile?

Wolle
Ein kleiner Stoffrest beim Oseberg Schiff, etwas Wolle und Taumaterial, wird als Teil des Zeltstoffs interpretiert. Die Segel der Wikinger waren aus Wolle und es war der in der Region am einfachsten zu bekommende Stoff.
Wolle ist aufgrund des Fettgehalts sehr wasserabweisend und speichert vor allen Dingen keine Nässe. Je nach Verarbeitung, z.B. als gewalktes Material oder Strichloden hat es darüber hinaus den Effekt, dass Wasser sehr gut ablaufen kann. Quasi wie ein Fell.

Leinen oder Flachs
Im Nordischen gab es unterschiedliche Bezeichnungen für Zelte, wie zum Beispiel das "líntjald" - das Leinen Zelt. Daraus kann man interpretieren, dass dieses Material verwendet wurde. Stoff Funde kennen wir aber nur von Kleidung.
Leinen wächst gut in martitimen Regionen mit gemäßigten Temperaturen und einem steten Wechsel von Sonne und Regen. Beispielsweise in England wurde schon von den Angelsachsen Leinen (lin, fleax) angebaut. Ebenso in Nordfrankreich. Plinius beschreibt die Flachskultur der Kelten in Regionen Belgien bis zu den Niederlanden.
Einen Wiki haben wir bereits aus Leinen und der Stoff hat sich bewährt. Zudem ist Leinen nicht von Mottenbefall betroffen.



Wir haben uns in diesem Beispiel für Wolle entschieden. Die Stoffqualität liegt bei ca 520-580 gr.
Bevor man an ein solches Projekt geht, braucht man vor allem eines: Platz - verdammt viel Platz!
Bei der Breite der Zeltbahnen orientieren wir uns an der Breite historischer Webstühle von 80 cm. Die Bahnen verbinden wir mit einer Kappnaht, die äußerst stabil ist. Hier kommen bei der Wolle schon einige Lagen an Stoff zusammen die dann teilweise nur noch mit der Zange genäht werden können.
Das beantwortet auch die Frage: Wie habt ihr das genäht? Ausschließlich mit der Hand.


Farben

Nun kommt die Frage aller Fragen, vielfach diskutiert: Waren Zelt bunt? Waren sie gestreift?

Es gibt zwar keine Abbildungen, in denen Farben eindeutig hergeleitet werden könnten, aber dafür Literatur, die darauf hinweist.
Zunächst gib es im Nordischen verschiedene Bezeichnungen für Zelte, die auf Farbe hindeuten:
* tjald með gráu vaðmáli - ein graues Zelt
* steintjald - ein farbiges Zelt

Zum Anderen gibt es Quellen wie die Heimskringla.
Hier muss man im Hinterkopf behalten, dass die Heimskringla erst um 1230 von Snorri Sturluson verfasst wurde. Allerdings war Snorri nicht "nur" Skalde, sondern auch Historiker und nutzte damals bekannte, ältere, Quellen.

Teil 123 - Die Geschichte von Asbjorn Selsbane:
"The ship was good, all that belonged to her was of the best, and in the sails were stripes of cloth of various colours. Asbjorn made himself ready for a voyage, and put to sea with twenty men".

Das beschreibt zwar kein Zelt, aber zumindest dass die Segel bunt bestickt waren.

Ähnlich geht es weiter in Teil 132 - Die Ermordung von Asbjörn Selsbane
"One day, as Asmund and his people were rowing through a sound, a ship of burden came sailing towards them. The ship was easily known, having high bulwarks, was painted with white and red colours, and coloured cloth was woven in the sail.
Karle said to Asmund, "Thou hast often said thou wast curious to see Asbjorn who killed Thorer Sel; and if I know one ship from another, that is his which is coming sailing along."


Auch hier geht es eher um das Besticken der Segel. Aber wir erfahren etwas über Farben: Rot und weiß

Konkreter wird es in Teil 157 - König Knuts Schiff Drache
"Canute the Great was at last ready with his fleet, and left the land; and a vast number of men he had, and ships frightfully large. He himself had a dragon-ship, so large that it had sixty banks of rowers, and the head was gilt all over. Earl Hakon had another dragon of forty banks, and it also had a gilt figure-head. The sails of both were in stripes of blue, red, and green,s and the vessels were painted all above the water-stroke; and all that belonged to their equipment was most splendid. They had also many other huge ships remarkably well fitted out, and grand."

Sigvat der Skalde beschreibt ebenfalls Knuts Schiff bzw. die blaue Farbe des Segels:
"Canute is out beneath the sky
Canute of the clear blue eye!
The king is out on the ocean's breast,
Leading his grand fleet from the West.
On to the East the ship-masts glide,
Glancing and bright each long-ship's side.
The conqueror of great Ethelred,
Canute, is there, his foemen's dread:
His dragon with her sails of blue,
All bright and brilliant to the view,
High hoisted on the yard arms wide,
Carries great Canute o'er the tide.
Brave is the royal progress -- fast
The proud ship's keel obeys the mast,
Dashes through foam, and gains the land
Raising a surge on Limfjord's strand."


Fassen wir also zusammen: Segel waren nicht nur bunt bestickt, sondern auch farbig und gestreift. Warum sollten es also Zelte nicht gewesen sein?
Die Segel waren nicht nur rot-weiß, wie auf den Darstellungen der Neuzeit. Aus der vorwikingischen Zeit schildert Flavius Vegetius Renatus im Vierten Buch Kap. 37 seiner Epitoma rei militaris, dass die Segel der Aufklärungsboote zur Tarnung blau gefärbt worden seien.
Als Knut der Große von England aufbrach, um Olav den Heiligen aus Dänemark zu vertreiben, wird seine Flotte wie folgt geschildert:
Saga von Olaf dem Heiligen - 157. Frá dreka Knúts konungs

„Knútur hinn ríki hafði búið her sinn úr landi. Hafði hann óf liðs og skip furðulega stór. Hann sjálfur hafði dreka þann er svo var mikill að sextugur var að rúmatali. Voru þar á höfuð gullbúin. Hákon jarl hafði annan dreka. Var sá fertugur að rúmatali. Voru þar og gyllt höfuð á en seglin bæði voru stöfuð öll með blá og rauðu og grænu.
Knútre the Great had stationed his army on land, he had too many troops and surprisingly large ships; he himself had the dragon, which was so big that it was sixty-eight in size; were there on the head of gold. Earl Hákon had another dragon; he was fourteen in bed; there was also a golden head on it, but both sails were all spelled out in blue and red and green.


In der Beschreibung der Schiffszelte werden dann nun auch farbige Zelte beschrieben:

"Skipene hadde, avhengig av størrelsen, fra 20 til 200 besetningsmedlemmer. Foran og bak på skipet var dekket. Den første var budbringeren , i sistnevnte - styrmannen; roplassen ble kalt roplass... Den midterste delen av skipet var beregnet på troppen, og et telt laget av tykt tøy eller duk ble satt opp over det om natten og i dårlig vær. Som regel ble stripete eller svarte telt foretrukket. før slaget ble de fjernet i frykt for at de ikke skulle falle av.


"Die Schiffe hatten je nach Größe 20 bis 200 Besatzungsmitglieder. Vorder- und Rückseite des Schiffes waren abgedeckt. Der erste war der Bote, im letzteren der Kumpel; der Ruderplatz hieß Ruderplatz...
Der mittlere Teil des Schiffes war für die Truppe bestimmt, darüber wurde nachts und bei schlechtem Wetter ein Zelt aus dickem Tuch oder Segeltuch aufgeschlagen. In der Regel wurden gestreifte oder schwarze Zelte bevorzugt. Vor der Schlacht wurden sie aus Angst, sie könnten herunterfallen, entfernt.

Und zuletzt beschreiben Ausschnitte der Geschichte von Karl Morskes, einem berühmten norwegischen Wikinger um 1028 etwas zu farbigen Zelten in Teil 153:
"..then he came to the Thing he had his tent put up, and within it another black tent black tent, that the light might not penetrate. After some days of the Thing had passed, Leif and Karl came to Thrand's tent, with a great many people, and found some persons standing outside..."
… Leif told his comrades to come carefully into the tent, and not to press forward, and that he who came last in should go out first. Leif went in first, followed by Karl, and then his comrades; and all fully armed as if they were going into battle. Leif went into the black tent and asked if Thrand was there. Thrand answered and saluted Leif. "


100% Schwarz ist nicht möglich. Der Stoff wird einfach sehr dunkel gewesen sein. Sei es die Wolle von Schafen (maximal ein dunkles grau), oder eingefärbter Stoff. Schwarze Schafe sind und waren selten. Aufgrund einer Genkopplung leben scharze Schafe kürzer und pflanzen sich weniger erfolgreich fort. (Jacob Gratten (Universität in Sheffield) et al.: Science, Band 319, S. 318)
Was man sicher nicht gesehen hat, waren Zelte aus gebleichten Leinenstoffen wie sie heute zu Hauf auf Mittelalter Veranstaltungen zu sehen sind. Wenn, dann war ein ungebleichtes Leinen in natürlichen Farbtönen in Verwendung oder eben gefärbtes Material.

Erkenntnisse

Wie lange braucht man für ein Zelt?

Wir arbeiteten natürlich nicht permanent am Zelt. Alles in allem hat der gesamte Prozess, also das Schneiden, das Schnitzen des Holzes und das Nähen knapp zwei Jahre gedauert. Aber wir sind ja noch nicht fertig, denn bei jedem Lager / Wetter gibt es neue Ideen was man noch besser machen kann...

Hält der Stoff dicht?

Regen hält der Stoff wunderbar ab. Auch nach mehrtägigem Starkregen bei unserem Herbstlager im Wikingermuseum Ribe waren die Zelt dicht bis auf eine Naht. Allerdings hat der Sturm bei zweien unserer Zelte etwas Regen wie Gischt durch die Plane gedrückt. Das Zelt mit der dunklen Wolle hat dicht gehalten, da es den schwereren Stoff hatte. Dafür ist es darin aber auch dunkel wie im Kuharsch.


Man hat doch bestimmt die Segel als Zelte benutzt!

Ganz bestimmt nicht! Das Segel war neben einem intakten Schiffsrumpf und dem Ruder das wichtigste Teil überhaupt. Die Lebensversicherung sozusagen, denn ohne Segel keine Heimkehr.
"Dann hat man bestimmt das Ersatzsegel verwendet." Nope! Das Groß-Segel heißt so, weil es groß ist. Es ist daher ziemlich unwahrscheinlich, dass man ein komplettes Ersatzsegel dabei hatte. Wenn man sich die Rekonstruktionen in Roskilde anschaut, ist auf einem Boot recht wenig Platz. Das bedeutet, es immer nur das nötigste dabei.
Ein Segel ist aufgrund seiner Größe sehr unhandlich. Um es als Zelt zu nutzen müsste, man es also teilweise einrollen, sichern dass es sich nicht aufrollt und so weiter. Beim Segeln muss es manchmal sehr schnell gehen. Da hat man keine Zeit sich mit einem unhandlichen Stoff Getüddel zu beschäftigen.
Zu guter Letzt ist da auch noch der Mast im Weg. Das heißt es gab nicht ein Schiffzelt, sondern zwei. Eins vor dem Segel und eins dahinter.